Schon das ganze Jahr feiert Italien den Sommo Poeta, seinen höchsten Dichter, einer Art Goethe und Luther in einer Person. Seine Göttliche Komödie begründete die italienische Sprache. Während seine Zeitgenossen ihre Schriften gerne im abgehobenen Latein verfassten, war Dante der erste, der seine Mischung aus Sciencefiction- und Liebesgeschichte in der damaligen volgare genannten Volkssprache dichtete und sie damit salonfähig machte.
Das gewaltige Epos schildert eine abenteuerliche Reise durchs Jenseits, das en passant gleich noch das ganze philosophische und naturwissenschaftliche Wissen seiner Epoche verarbeitet. Die Verknüpfung mit einer überirdischen Liebesgeschichte dient als Zuckerl, die 14000 Verse durchzuhalten. Seine Jugendliebe Beatrice dient ihm dafür als Vorlage. Die hatte er in seiner Geburtsstadt Florenz kennengelernt. Leider ist sie früh verstorben und auch sonst brachte ihm Florenz nicht viel Glück.
Flucht ins Exil
Dante war in Florenz Kommunalpolitiker. In den Machtkämpfen der damaligen Zeit fand er sich auf der Verliererseite wieder, wurde 1302 aus seiner Heimatstadt verbannt und unter fadenscheinigen Gründen in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Den Rest seines Lebens verbrachte er im Exil in norditalienischen Städten, in seinen letzten Lebensjahren fand er freundliche Aufnahme in Ravenna. Dort vollendete er die Divina Commedia, die er erst in der Verbannung zu schreiben begonnen hatte.
Trotz Heimwehs nach Florenz fühlte er sich wohl in Ravenna. Den Pinienwald von Classe südlich der Stadt, wo noch heute der Wind durch die mächtigen Baumkronen rauscht, verglich er in seinem Megawerk mit dem Eingang zum irdischen Paradies. Am Ende eines alles anderen als langweiligen Lebens ist Dante im Alter von 56 Jahren in der alten Kaiserstadt Ravenna an der Adria verstorben. Heute erinnert eine Altstadtgasse, die nach ihm benannt ist und natürlich das Mausoleum an den italienischen Nationaldichter. Touristen aus ganz Italien stehen dort schon das ganze Jahr über Schlange, um den steinernen Sarkophag und das Relief des Poeten im Inneren der Grabkammer mit ihren Smartphone zu verewigen.
Er ist die Idee von Italien
Wie sehr Dante das Symbol für die Einheit des Landes ist, wurde während der Corona-Pandemie deutlich. Seine Comedia verkörperte die Hoffnung, die aus höllischen Tiefen in himmlische Höhen führt. Der Quirinalspalast in Rom, der Sitz des Staatspräsidenten, schuf als Durchhaltefeiertag mitten im ersten Lockdown den Dantedî, einen Dante-Tag.
Symbolträchtig wurde der auf den am 25. März gelegt. In der Comedia begann angeblich an diesem Tag im Jahr 1300 jene legendäre Reise, die aus dunklen Wäldern ins Paradies führt. Am diesjährigen Dantedî rezitierte Oscar Preisträger Roberto Benigni im Quirinalspalast vor erlesenem Publikum einen der 100 Gesänge der Göttlichen Komödie – auswendig versteht sich. Schon vor vielen Jahren hatte der Oscar-Preisträger mit seiner phänomenal erfolgreichen Tour Tutto Dante durch die Städte des Landes als Rezitator bewiesen, dass sich in Italien mit den Klassikern die Marktplatze füllen lassen.
Heute Abend wird schon wieder rezitiert. Leider ohne Benigni, dafür aber alle der insgesamt 100 Gesänge. Vor dem Mausoleum in Ravenna startet um18h eine Art Dante-Poetry-Slam. Je einen Canto pro Tag, der einhundertste dürfte am 19. Oktober erreicht werden. Wer hineinhorchen will, im Internet wird der Höllenritt durchs Fegefeuer ins Paradies übertragen: https://vivadante.it/lettura-perpetua/