Dolcetto o scherzetto lautet die rhetorische Frage der italienischen Kinder, wenn sie an Halloween abends verkleidet an den Haustüren klopfen. Die Antwort fällt wie überall auf der Welt gleich aus. Das ist aber nicht der einzige Grund, weshalb der ursprünglich keltische heidnische Brauch von Irland aus die Jugendherzen eroberte. Es ist ein beliebter Vorwand, die Sau rauszulassen und schräge Festivitäten aufzusuchen.
Am Vorabend zu Allerheiligen, das in Italien natürlich ein wichtiger katholischer Feiertag ist, vermischen sich dabei die irische Folklore mit traditionellen italienischen Herbstbräuchen. Beim puglischen Fucacost e cocce priatorije werden Ginsterzweigen fuca coste entzündet, um in ihren Flammen die Seelen im Fegefeuer cocce priatorije zu reinigen. Sehr verbreitet ist die Coccalu di muortu, wo aus Kürbisen wahre Kunstwerke geschnitzt werden. Und drei Orte in Italien sind Punti di Halloween, sie haben besondere Attraktionen zu bieten.
Borgo a Mozzano und die Teufelsbrücke
Eine der größten und beliebtesten Halloween-Feiern in Italien findet in Borgo a Mozzano statt. Einer malerischen Stadt in der Provinz Lucca im Norden der Toskana, am Serchio Fluss gelegen. Das Festival spielt sich auf den mittelalterlichen Straßen der Altstadt ab.
Die Hauptattraktion ist eine bunte Parade, die der Überlieferung nach die Geschichte der einstigen Bewohnerin Lucida Mansi aufgreift. Die Gute habe ihre Seele für 30 Jahre Schönheit an den Teufel verkauft. Während der Parade durchquert Lucida die Stadt, begleitet vom Teufel, seinen Dämonen und Feuerfressern. An der Ponte Della Maddalena, genannt Teufelsbrücke, wird Lucidas Seele feierlich um Mitternacht in die Hölle geschickt. Lucinda wird in den Fluss geworfen.
Triora – Stadt der Hexen
Etwas weiter oben auf der Schaurigkeits-Skala verortet sich das ligurische Dorf Triora, im Hinterland von Imperia. Wie schaurig es dort einst zuging, mag zwar die Auszeichnung „I borghi più belli d’Italia“ an 360 Tagen im Jahr in den Hintergrund drängen. Doch an Halloween bekennt man sich als Stadt der Hexen. Mit Schauerlust wird an die dunkle Epoche der Hexenprozesse im Mittelalter erinnert, in denen Frauen aberwitziger Verbrechen beschuldigt wurden. Kannibalismus von Neugeborenen oder dem Befall von Wahnsinn bei Haustieren.
Gleich 200 Frauen, quasi alle weiblichen Dorfbewohnerinnen, wurde in einem spektakulären Prozess vorgeworfen für die Verbreitung der Pest verantwortlich zu sein. Die Frage, wie das Dorf trotzdem überlebte, mag so manchen Lokalhistoriker beschäftigt haben. An Halloween bevorzugt man den folkloristischen Umgang mit der Vergangenheit. Junge Frauen verkleiden sich als Hexen, Touristinnen sind teuflisch willkommen, sich ihnen anzuschliessen.
Festa Delle Streghe in Corinaldo
Wer allerdings das Festival der Hexen erleben will, muss sich Richtung Adria in die Provinz Ancona aufmachen. Dort ist Corinaldo beheimatet. Die antike Stadt beherbergt Italiens grösstes Halloween-Spekatakel. Das Festa Delle Streghe verwandelt die Stadt in einen Halloween-Vergnügungspark. Auf zahlreichen Bühnen in der Altstadt werden die nur schwer unterscheidbaren Spukgeschichten mit einer Heerschar von Hexen, Skeletten und Monstern dargeboten. Selbstverständlich darf ein Miss Strega-Wettbewerb nicht fehlen. Die mittelalterliche Kulisse und die exzellent Streetfood à la italiana machen den Halloween-Kitsch allemal wett.