Mit einem Werbespot mit jungen Ragazzi und Ragazzine stellte Piaggio am 11. Oktober 1967 sein Mofa Ciao der Öffentlichkeit vor. Neben der berühmten Vespa, die aus dem gleichen Haus kam, war das Ciao eine Playmobil. So wie die Vespa das Gefährt der Ragazzi war, sollte das Ciao die Mädchen, die Ragazzine, für die motorisierte Fortbewegung erobern. Aber was heisst hier motorisiert. Ein Einzylinder-Zweitaktmotor mit 48 cm³ konnte das Ciao auf schwindelerregende 25km/h beschleunigen. Die wahre Geschwindigkeit erfuhr man indes nie, denn das Mofa besass kein Tachometer. Auch keine Kupplung und keine Gangschaltung. Man warf es an, gab Gas und fuhr, man nahm das Gas wieder zurück und stand. Mehr Technik war nicht. Ein Mädchen-Mofa eben.
Das Gegenteil der Beschleunigung
Das Ciao war kein Mittel zum Zweck, sondern es war sich selbst Zweck genug. Man fuhr, wenn man denn überhaupt fuhr, um des Fahrens und der Schönheit dieser schwebenden Bewegung willen. Gerade so, wie es Marcello Mastroianni in den Fellini Filmen tat: Kreuz und quer liess er sich durch Rom treiben, ohne Ziel und ohne höheren Zweck als den, die Süsse des Daseins auszukosten. Auch mit einem Ciao fuhr keiner weg, allenfalls kam man an. Mit Vorliebe indessen stand man. Die Paradoxie der Mobilität all’italiana. Reine Musse.
Viele Ciao liegen noch im Keller
Vom Piaggio Mofa wurden dreieinhalb Millionen Exemplare bis zu Beginn des Jahrtausends verkauft. Doch mit dem dann einsetzenden Zeitalter der Beschleunigung kam es nicht mehr mit. Auch würde es heutigen Umweltstandards nicht mehr genügen. Angesichts der enormen Verbreitung liegen jedoch viele alte Ciao noch unbenutzt in den Kellern und Garagen der Italiener, die nicht den Mut haben, sie zu entsorgen.
Und so lag es nahe, das rebellische Jugendgefährt der 70er in ein umweltfreundliches für die Greta-Generation umzuwandeln. Ein kleines für Italien typisches Tüftlerunternehmen aus Rufina in der Provinz Florenz startet nun den Versuch, das Ciao elektrisch wiederzubeleben. Ambra Italy bietet einen Bausatz zum Umbau der alten Ciao zum E-Bike an. Mit wenigen Änderungen wie einen 250-W-Motor in der Hinterradnabe, einer kleinen Batterie und einem modernen Display, das nun auch die Geschwindigkeit anzeigt, wird das Mofa als e-Ciao wiedergeboren. Der komplette Bausatz kostet 2.800 Euro, für ca. 4.000 Euro übernimmt Ambra Italy den Umbau, einschließlich Restaurierung und Neulackierung.
Anni Ciao
Der Boom der E-Mobiltät, der selbst im Ferrari-Land Italien zu spüren ist - der Hersteller aus Maranello plant für 2025 eine elektrische Variante - beflügelt auch bei Piaggo Überlegungen zu einer Neuauflage der Ciao. Ob damit nochmals die Anni Ciao aufleben, wie sie die Werbefilme von einst beschworen. Wer weiss. Was bleibt ist, Ciao und auch der grosse Bruder Vespa werden immer als Inbegriff der Mobilität all’italiana gelten, deren wahres Wesen es ist, die Süsse des Daseins auszukosten.