Majestät Carbonara. Dieses Jahr wird sie siebzig Jahre alt, obwohl sie sich vor allem im Internet jung wie ein Teenager präsentiert. Dank des fotogenen Gelbs des Eies, das mit dem salzigen Rot des gerösteten Specks gesprenkelt ist.
Kaum jemand weiss allerdings, dass das erste veröffentlichte Rezept weder römisch noch italienisch ist, sondern 1952 in einem Restaurantführer von Chicago erschien. Im Stadtteil North Side führten zwei junge Italiener das Restaurants Armando. Ihre Spezailität war Carbonara. Die Restaurantkritikerin Patricia Bronté beschreibt das Rezept und die Zutaten und verwendet sogar italienische Begriffe wie Tagliarini und Guanciale, also dünne Bandnudeln und Backenspeck vom Schwein.
Sogar Pilze tauchen auf
In Italien dauert es bis zur Ausgabe von La Cucina Italiana vom August 1954, um eine einheimische Version zu finden. Was umso überraschender ist, als die Spaghetti mit Pancetta, Knoblauch, Gruyere und Eiern gewürzt und dann zusammen mit den frisch abgetropften Spaghetti in einer Pfanne gekocht werden.
Im Laufe der Jahre wurden verschiedene Varianten entwickelt, die die unterschiedlichsten Zutaten enthalten, wie Pilze, Zwiebeln, Butter, Schinken, Wein, Petersilie, Safran, Muskatnuss und sogar Venusmuscheln, aber vor allem viel, viel Sahne.
Viel, viel Sahne
Von den sechziger bis zu den neunziger Jahren war es ein Aufstand der fetten und weichen Karbonaden gegen die Essvernungt, der in dem Rezept von Gualtiero Marchesi gipfelte: 200 Gramm Sahne für 320 Gramm Spaghetti.
Wie lautet also das Originalrezept? Ganz einfach: alle und keines. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich eine kanonische Version um vier Zutaten herausgebildet: nämlich Guanciale, Eigelb, Pecorino-Käse und Pfeffer. Also jene Version wie sie auch in Chicago erstmals auftauchte.
Doch das Carbonara-Haus hat viele Zimmer. Neben dem traditionellen, ist es jedem frei gestellt, welches er bevorzugt. Die absolute Wahrheit gibt es nicht, denn Carbonara ist keine Religion, sondern eine Philosophie.