Am Anfang stand ein über Jahrtausende gebildetes Naturwunder im Herzen des Nationalparks Stilfserjoch. Das Eis und das Schmelzwasser der Marteller Gletscher gruben sich hier am Fusse der über 3700 Meter hohen Zufallspitzen der Ortler-Alpen in die Erde, arbeiteten sich als Fluss Plima durch die Felsen und bildeten so die gleichnamige Schlucht. Dieses grandiose Naturdenkmal in Hintermartell aus fallenden Wassermassen, stiebender Gischt und blank gewaschenen Felsen schlummerte lange als kaum zugängliche Sehenswürdigkeit. Wer einen Blick in die Schlucht wagen wollte, musste sich gefährlich nahe an die Flanken der steil abfallenden Felswände vorantasten.
Design heisst den Abgrund erlebbar machen
Erst mit dem 2017 liebevoll angelegten Erlebnisweg konnte das bisher verborgene Naturschauspiel mit spektakulären Brücken und Aussichtspunkten erschlossen werden. Das ausführende Planungsteam tara Architekten und Pohl+Partner Ingenieure bekam nun dafür einen Designpreis verliehen. Die Meraner Arichitektin Heike Pohl, die den Schluchtenweg federführend konzipiert hat, sagt, es gehe genau um dieses Erlebnis: dass man noch sicheren Boden unter den Füßen hat und doch schon über dem Abgrund schwebt, der je nach Aussichtspunkt fünf oder zehn oder noch mehr Meter nach unten führt.
Einer der von ihrem Team entworfenen Aussichtspunkte ist eine Kanzel. Von hier oben schaut man aus der Vogelperspektive beinahe senkrecht auf die tief unter einem liegende Plimaschlucht. Ein kurzes Stück später mag man sich auf einer Hängebrücke über der Schlucht deutlich sicherer aufgehoben fühlen. Die künstlerisch gestaltete Brücke aus silbrig glänzenden Metallelementen und hohem Maschendrahtzaun bewegt sich zwar beim Begehen, vermittelt aber ein sehr behütetes Gefühl.
Begeht man den Plima-Schluchtenweg auf der beschriebenen Route, bildet die Hängebrücke auf halber Strecke quasi den Abschluss des baulich aufgewerteten Wegabschnittes. Wer die Rundwanderung verlängern möchte, hat von hier aus die Möglichkeit, in einer Schlaufe hinauf zur Alten Staumauer, dem sogenannten Bau, zu wandern. Von dort führt der Weg auf der anderen Talseite wieder zurück zur Hängebrücke.
Ein willkommener Zufall - eine Hütte
Ebenfalls gut zu wissen: Die Hängebrücke liegt nur einen Steinwurf von der Zufallhütte entfernt. Diese bewirtschaftete Schutzhütte ist für Alpinisten und Wander, aber auch für Skitourengänger und Winterwanderer ein beliebter Treffpunkt. Mit ihrer Lage auf 2256 Meter Höhe ist sie als Ausgangspunkt für Bergtouren ideal gelegen. Auch Wanderern des Plima-Schluchtenweges bietet sie eine gute Einkehrgelegenheit dank durchgehend warmer Küche. Und während man auf der aussichtsreichen Sonnenterrasse der Zufallhütte sitzt, lassen sich nochmals vortrefflich die Eindrücke des Plima-Schluchtenweges Revue passieren.
Der in rund zwei Stunden zu bewältigende Rundwanderweg beginnt und endet am Schluss der Talstrasse, beim Parkplatz des ehemaligen Hotels Paradies.