Hat er das Unglück kommen sehen? Was passiert ist, war weder vorhersehbar noch vermeidbar. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir alle für die Art und Weise, wie wir unseren Planeten behandeln, mitverantwortlich sind, sagt der 48jährige Venetier, der seit 5 Jahren die Schutzhütte Capanna Punta Penia bewirtschaftet. Dass er hier oben landete, ist für ihn im Rückblick kein Zufall.
Es war ein Montag, an dem Carlo Budel beschloss sein Leben zu ändern. Am 15. Februar 2016 machte er sich wie schon in den letzten 20 Jahren am Morgen auf dem Weg zur Arbeit in die Fabrik in Santa Giustina in der Provinz Belluno. Doch an diesem Morgen tauchte er nicht in der Fabrik auf. Spontan nahm er eine andere Route, fuhr nach Norden, zum Vette Feltrine, ein Gipfel in den Dolomiten. Kein x-beliebiger Berg, sondern sein Pizzocco, den ersten Gipfel, den er im Alter von drei Jahren auf den Schultern von Grossvater Nanni bestieg.
Meine Liebe zu den Bergen hat mich die wahren Werte des Lebens entdecken lassen, und mit über 40 Jahren wurde ich auf dem höchsten Gipfel der Dolomiten neu geboren. Aus Carlo Budel dem Fabrikarbeiter wurde der Hüttenwirt der Capanna Punta Penìa. Die Schutzhütte auf dem Gipfel der Marmolada unweit Gletscherabbruchs vor wenigen Tagen.
Schon in der Schule hab ich es nicht ausgehalten
Zu Italiens bekanntesten Hüttenwirten zählt Carlo schon seit vielen Jahren. Das Unglück hat ihn noch mehr in den Mittelpunkt gerückt, was im alles andere als recht ist. Dem Rummel zieht er die Stille der Berge vor. Die besonderen Momente teilt er auf seiner Facebook Gruppe DoloMitici teilt, die 90.000 Mitglieder hat: stimmungsvolle Fotos und Videos von Sonnenuntergängen, Schneefälle im August oder Strudelfrühstück mit atemberaubender Aussicht. Viele die dieses Fotos sahen, träumen vermutlich davon, wie Carlo den Mut zu finden alles aufzugeben und seinem Traum zu folgen.
Carlo kam als Kind in die Dolomiten, sein Vater war mit der Familie aus beruflichen Gründen dort hingezogen. In ihrem neuen Zuhause, dem Dorf San Gregorio nelle Alpi entdeckte er Natur und Berge: Pilze sammeln, in Bächen fischen und vor allem Gipfel besteigen. Die Schule mochte er nie, sagt der 1973 geborene Budel: ich habe nie verstanden, wie man ein Kind dazu zwingen kann, stundenlang still zu sitzen, während die Natur uns zum Laufen, Erforschen und Entdecken anregt.
Die Wächerin der Dolomiten
Von Berufs wegen zog er aber dann doch für wenige Jahre nach Turin, wo er es nicht lange aushielt. So suchte er sich einen Job in der Gegend von Belluno, das näher an den Dolomiten liegt. Doch die Festanstellung in der Fabrik bot nur äusserliche Sicherheit. Ich fühlte mich eingesperrt in ein Schicksal, das unabänderlich schien. Ich war ständig auf der Suche nach einem Gleichgewicht, das ich nicht finden konnte.
Bis an jenen Montag, an dem er beschloss nicht mehr in der Fabrik aufzutauchen. Seine Verwandlung zum Nomaden zwischen den Gipfeln erzählt er in dem vor drei Jahren erschienen Buch La sentinella delle Dolomiti - La mia vita sulla Marmolada a 3.343 metri d'altitudine - Die Wächterin der Dolomiten (gemeint ist seine Schützhütte). Mein Leben auf dem Marmolada auf 3343m Höhe. Auch wenn er im Moment ganz alleine auf der Capanna Punta Penìa ausharrt, ist er trotz des Unglücks und des damit verbundenen Leids immer noch überzeugt, dass er sich kein schöneres Geschenk hätte machen können.